Zwei 14-jährige Jungs sitzen in einem Klassenzimmer nebeneinander am Tisch. Darauf ausgebreitet liegt Material das sie für ihr Arbeit als Coachs für Grundschulkinder nutzen können.

06.06.2024

Lesemethoden, Wortschatzspiele und jede Menge Engagement

BildungsTandems: Im zweiten Training geht es für die Coach*innen um den Schwerpunkt Leseförderung

Aus dem Klassenraum tönt ab und zu ein Lachen oder ein begeisterter Ausruf, ansonsten herrscht hier eine ruhige und arbeitsintensive Atmosphäre beim Training der Coach*innen im Peer-Learning-Programm BildungsTandems. Es ist 15 Uhr, ein Dienstag am Maria-Wächtler-Gymnasium in Essen. Hinter den Achtklässler*innen liegt schon ein ganzer Schultag, trotzdem sind sie mit Konzentration und Engagement beim heutigen Training dabei. Schließlich geht es darum, wie sie die Treffen mit „ihren“ Grundschulkindern von der Andreasschule in Essen gut gestalten und füllen können. Und das ist den 13 anwesenden Jugendlichen wichtig.

„Ihr geht in den kommenden Wochen mit den Grundschulkindern auf eine Lesereise“, erklärt Anika Anders vom BildungsTandems-Team der Zukunftsstiftung Bildung gerade. Sie macht die Jugendlichen in verschiedenen Workshops fit für ihre verantwortungsvolle Rolle. Heute geht es um den Schwerpunkt „Leseförderung“, der für die Grundschulkinder im Hinblick auf einen gelingenden Übergang zur weiterführenden Schule besonders wertvoll ist. „Dafür stelle ich euch heute die LeseBox vor, aus der wir gleich einige Methoden selbst ausprobieren werden“, sagt Anika Anders. Zusammen mit Prof. Dr. Silvia-Iris Beutel, Professorin für Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik, und ihrem Team an der TU Dortmund hat die Zukunftsstiftung Bildung eine ganze Box voller Material entwickelt. Sie eignet sich für die Leseförderung von Viertklässler*innen, vor allem für den Einsatz in Peer-Learning-Gruppen – und kommt richtig gut an.

Es gibt zum Beispiel eine Landkarte, auf der sich die zwei Leseraupen Frida und Ferdi mit den Kindern auf die Reise machen und viele Methoden, um das Lesen zu üben – zum Beispiel bei einem Bewegungsspiel im ganzen Raum verteilt oder mit verstellten Stimmen und viel guter Laune gemeinsam am Tisch. Mehr als zehn Lesemethoden und Wortschatzspiele gibt es hier für den Einsatz in den BildungsTandems zu entdecken.

Mats freut sich schon darauf, die Methoden mit seiner Gruppe an der Grundschule umzusetzen und er ist total begeistert von den Räumlichkeiten dort: „In der Schulbücherei der Andreasschule ist es richtig schön. Wir haben da zwei Räume nur für uns bei unseren Treffen, wo wir in Ruhe zusammensitzen, sprechen und lesen können. Außerdem gibt es eine große Auswahl an Büchern.“

Wie engagiert die Coach*innen des Maria-Wächtler-Gymnasiums an die Sache drangehen, zeigt der Aufwand, den Jonas für seine Peer-Learning-Gruppe betrieben hat. Der 14-Jährige erzählt: „Mir ist das Thema Lesen wirklich wichtig und ich wollte gerne mit meiner Gruppe ein Kinderbuch, das ich zu Hause habe, lesen.“ Um damit gut arbeiten zu können, hat er mit Hilfe von KI (Anm. d. Red.: Künstliche Intelligenz) eigene Arbeitsblätter dazu erstellt und unterhaltsame Kreuzworträtsel zum Buch-Inhalt für seine TandemTreffen vorbereitet.

„Solange es ihm Freude macht und ihn in seiner Freizeit nicht stresst, finde ich das toll“, sagt Lehrerin Kirsten Gläsel, die die Schulkoordination am Maria-Wächtler-Gymnasium im Programm BildungsTandems ist. Jonas kann sie beruhigen, nimmt seine Rolle aber trotzdem nicht auf die leichte Schulter: „Mir macht es wirklich viel Spaß, doch natürlich ist es auch herausfordernd. Die Grundschulkinder tun sich teilweise schwer mit ihrer Konzentration aufs Lesen, aber damit gut umzugehen ist jetzt eben unsere Aufgabe als Coachs.“

Genau darum geht es im heutigen Training natürlich auch: Wie läuft es in euren BildungsTandems? Was funktioniert und macht Spaß? Wo ist es noch etwas holprig? Coachin Julia sagt: „Es ist schon manchmal schwierig, dass die Kinder sich leicht ablenken lassen und mit ihrer Aufmerksamkeit nicht lange beim Lesen bleiben.“ Nickende Köpfe im Raum und sofort ein paar gute Ideen: „Manchmal machen wir Würfelspiele darum, wer wie viel lesen darf.“ Und „Wir gehen raus und puzzlen zwischendurch – danach können die Kinder immer gut weiterlesen.“

Moritz hat sich einen ganz besonderen Trick für sein BildungsTandem überlegt: „Mir ist aufgefallen, dass die Kinder teilweise nicht richtig zuhören können, wenn jemand anderes laut vorliest und deshalb manchmal gar nicht so genau wissen, was in diesen Abschnitten in der Geschichte eigentlich passiert ist. Darum starten wir jetzt jedes TandemTreffen, in dem wir weiterlesen wollen, mit einem lustigen Was-bisher-geschah.“ Dafür spielt Moritz Musik ab, zu der ein paar der Grundschulkinder wie Reporter*innen die Geschichte für alle kurz zusammenfassen. „Dabei haben alle Spaß und wir starten auf demselben Stand“, erklärt er.  

Anika Anders von der Zukunftsstiftung Bildung lobt in der Abschlussrunde alle Coach*innen: „Mir ist heute aufgefallen, wie zugewandt und respektvoll ihr miteinander umgeht – das ist schon die beste Voraussetzung für gelingende TandemTreffen mit den Grundschulkindern.“

 

 

Zu sehen ist ein Plakat, auf dem Jugendliche ihre Erfahrungen als Coachs für Grundschulkinder aufschreiben.
Zu sehen ist ein Plakat, auf dem Jugendliche ihre Erfahrungen als Coachs für Grundschulkinder aufschreiben.

Über das Programm BildungsTandems

Gemeinschaft stärken, Respekt und Toleranz üben, Solidarität leben – das erproben Schülerinnen und Schüler im Programm BildungsTandems. Auf der Basis von Peer-Learning erleben sich ältere und jüngere Schülerinnen und Schüler als starke Partner füreinander.
Die Älteren durchlaufen zunächst ein Trainingsprogramm, das sie fit macht für ihre Rolle als Coach und Vorbild für Grundschulkinder. Diese BildungsTandems treffen sich dann regelmäßig und werden durch die Zukunftsstiftung Bildung über ein Schuljahr hinweg begleitet. Die teilnehmenden Schulen und Kommunen werden bei der Durchführung des Programms begleitet und Lehrkräfte entsprechend weitergebildet.

Wissenschaftlich evaluiert wird das Programm unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Silvia-Iris Beutel, Professorin für Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik, Schwerpunkt Lehr-/Lernprozesse und empirische Unterrichtsforschung an der TU Dortmund.

Die RAG-Stiftung ist seit März 2022 Hauptförderer des Programms.

Kirsten Gläsel, Lehrkraft am Maria-Wächtler-Gymnasium

3 Fragen an Kirsten Gläsel,

Lehrkraft am Maria- Wächtler-Gymnasium in Essen und Schulkoordination im Peer-Learning- Programm BildungsTandems

Welches Potenzial steckt aus Ihrer Sicht im Peer-Learning?
Kirsten Gläsel:
„Das Tolle am Peer-Learning ist, dass auf beiden Seiten Potenziale freigesetzt werden. Die Kleineren sind motiviert für die gemeinsame Arbeit, sie schauen zu ihren Coachs auf, es gibt aber auch viele Identifikationsmöglichkeiten. Bei den Größeren sehe ich nach nur drei Monaten im Programm schon spannende Veränderungen. Wenn ich auf meine Gruppe schaue, sind es Schülerinnen und Schüler der achten Klasse, die ich teilweise gut kenne, da ich sie in der Vergangenheit selbst im Unterricht hatte – und jetzt beobachte ich gerade ganz neue Facetten an ihnen. Das ist schon etwas ganz Besonderes.“

Was sind das für neue Facetten, die Sie bei Ihren Schülerinnen und Schülern beobachten können?
Kirsten Gläsel:
„Die Jugendlichen fangen an sich zu strukturieren, sie machen Pläne und entwickeln ihre sogenannten Soft Skills weiter. Während sie sich sonst vielleicht im Unterricht eher mal berieseln lassen, tragen sie in diesem Programm selbst die Verantwortung. Es kommt auf sie an, sie werden gebraucht. Mit dieser neuen Rolle als Coachs zeigen sich hier wirklich neue Fähigkeiten.“

Wie bewerten Sie die Themen „Demokratiepädagogik“ und „Persönlichkeitsentwicklung“ im System Schule? Wie relevant sind und werden diese Themen noch?
Kirsten Gläsel:
„Ich erlebe in Schule, dass dazu schon eine ganze Menge passiert. Ob es eine AG zum Thema Glück ist, ein Unterrichtsfach mit dem Namen Kompetenzen oder eben die Teilnahme am Peer-Learning-Programm BildungsTandems – Schulen und die handelnden Personen dort haben ein hohes Bewusstsein für Soziales Lernen. Ich glaube, im System Schule bewegt sich etwas.“

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